Sylvain Legendre

 

Die enorme Weite des Sees lag versteckt hinter sich drehenden Nebelschwaden und auch erste Tropfen Regen begannen zu fallen. Es war ungewöhnlich kalt für Mai, aber als wir das Boot in das kristallklare Wasser gelassen hatten, war das Wetter das Letzte, an was wir dachten.

 

Auf der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz gelegen, ist der Genfer See massive 580 Quadratkilometer groß, 71,8km lang und bis zu 13,7km breit. Dabei ist er bis zu 310m tief. Das sind wahnsinnige  Zahlen.

 

Und was bietet dieser Riese? Die enorme Wasserfläche mit der grandiosen Uferszenerie passt perfekt zu den enorm harten Angelbedingungen. Aber der See ist die Heimat von echten Giganten. Hechte werden hier sehr groß. Dreißigpfünder, Vierzigpfünder und noch größere Hechte schwimmen in solchen Gewässern. Aber man muss genau wissen, was man macht, um diese Fische auch überlisten zu können.

Unser Rage Markenmanager Sylvain Legendre ist einer der Pioniere im Kunstköderangeln auf Großhechte am Genfer See, was bedeutet, dass es kaum andere Angler gibt, mit denen man besser diesen See befischen könnte. Und genau das haben wir dann auch getan.  

 

Mit montierten Ruten und reichlich Kunstködern, funktionsbereiten Echoloten und schnellen Motoren feuerten wird dann auch schon über die Oberfläche des Sees in Sylvains hochmotorisiertem Boot. Das letzte Bisschen Wärme wurde dabei von unseren Köpfen und Körpern geblasen, als wir auf dem Weg zum ersten Angelplatz waren.

Die Hechte laichen hier üblicherweise Mitte bis Ende April und Sylvains Plan war es herauszufinden, ob die Fische sich noch im Flachwasser befanden. Der Genfer See hat ausgedehnte, flache Uferbereiche voller Wasserpflanzen, welche sich weit in den See hinausziehen, bevor der Gewässergrund dann steil in große Tiefen abfällt.

Zum Laichen ziehen die Hechte genau zu diesen flachen Krautfeldern, aber nach einer Dreiviertelstunde erfolglosem Werfen mit Salmo Slidern hatten wir nicht einen Fischkontakt. Das war das klare Signal, dass die Hechte schon weggezogen waren.

Aber wir machten uns keine Sorgen, denn Sylvain kennt den See sehr genau. Dabei muss man sich bewusst machen, dass man den ganzen Genfer See niemals an einem Tag befischen kann, sondern diesen in überschaubare Bereiche einteilen muss. Und deshalb fuhren wir auch schnell weiter.

Der Plan war es, nun die Abbruchkanten zu befischen. Die Hechte des Genfer Sees lieben diese steilen Kanten, wo der See vom Flachwasser in die Tiefe abfällt, da sie dort aus der guten Deckung der Kante heraus auf vorbeiziehende Futterfische lauern können, wenn diese die Kante herauf- und entlangziehen.

Mit einem Elektromotor steuerte uns Sylvain genau an diesen Abbruchkanten entlang, während wir unsere Köder in die Weiten des Sees feuerten. Und bei der Köderwahl gab es kein großes Zögern – 18cm Replicant Wobbler und 18cm Pro Shads mit Korkenzieher-Bullet-Jigköpfen und Doppel-Stingern waren unsere Wahl.

 

Das Wasser hier ist absolut kristallklar, was für den Kunstköderangler einerseits ein Vorteil ist, da man den Hecht optisch optimal zum Anbiss verleiten kann. Andererseits ist das klare Waser aber auch problematisch, da die Hechte auch viel mehr der Komponenten unserer listigen Montagen erkennen können, als wir es wirklich wünschen. Wegen des klaren Wassers setzen wir bei den Kunstködern eher auf natürliche Farben: Hecht-, Barsch- und Weißfischdekore imitieren bei den Pro Shads am besten die Beutefische, während wir bei den Replicants ebenfalls auf die Barsch-Natur-, Rotaugen- und Stichling-Modelle zurückgreifen.

Aber es ist nicht nur die Kunstköderfarbe, über die man nachdenken muss. Hechte greifen ihre Beute von hinten und von unten an und Sylvain ist fest davon überzeugt, dass man auch alle anderen Montagekomponenten so gut wie nur irgend möglich tarnen muss, damit der Hecht nicht ahnt, dass seine Beute Stacheln aus Stahl hat.

Deshalb benutzt er auch kein Stahlvorfach, sondern greift auf ein 80Ib Fluorocarbon-Vorfach zurück. Natürlich wird dieser Aspekt wieder Kritik und Nachrichten in irgendwelchen Internetforen hervorrufen, aber Sylvain erklärt uns (und dieser Mann hat wahrscheinlich mehr Großhechte in ganz Europa gefangen als wir Köder gewechselt haben), dass er noch nie einen Fisch durch dieses Vorfach verloren hat.

Durch den Einsatz des Fluocarbonvorfachs wird vor dem Köder kein Schatten geworfen, was sehr bedeutsam in dem klaren Wasser ist. Zudem verlängert Sylvain das Vorfach noch mit weiteren 4-5 Metern Fluocarbon dünneren Durchmessers, um den Köder noch unauffälliger und natürlicher präsentieren zu können. Das Ergebnis ist eine perfekt getarnte Kunstködermontage  

Es ist immer noch kalt, als wir die Steilhänge befischen. Und zu unserem Pech ist es bereits auch schon eine ganze Woche sehr kalt. Schnee auf den Bergen um uns herum ist geschmolzen und das Schmelzwasser hat zudem die Wassertemperatur fallen gelassen, was das Angeln wirklich hart macht.

Sylvain hat immer ein Auge auf dem Echolotmonitor, da er nach Schulen von potentiellen Beutefischen sucht; wo sie sind, sind die Hechte meist auch nicht weit. Wir sehen große Barschschwärme auf dem Echolot, die in mehr als 20m Wassertiefe zu großen Wolken zusammengeschart sind. Sie sind heute nicht einmal flacher zu sehen, was deutlich macht, wie groß die Rolle der Temperatur heute ist. Nur um überhaupt einen Biss zu bekommen, lassen wir probeweise einen kleinen Jig an einer leichten Rute zu diesen Schwärmen absinken. Aber obwohl dort tausende Barsche dicht zusammengedrängt stehen, fangen wir nur zwei sehr kleine Barsche. Also nicht einmal diese Mengen an Barschen scheinen zum Fressen aufgelegt zu sein.

 

Sylvain ist trotzdem glücklich, denn er kann heute einige neue, extrem schwere Spinnruten testen, die später im Jahr als Teil einer neuen Rage Serie auf den Markt kommen. Dabei ist er sehr beeindruckt von ihrer hohen Leistungsfähigkeit. Jetzt braucht er nur noch einen Fisch!

Aber wir geben nicht auf und nach mehreren Stunden erfolglosen Werfens, Einholens, Platzwechseln und erneutem Werfen, wird die Stille plötzlich beim dritten Wurf in einer kleinen Bucht unterbrochen.

Nur ein paar Meter hinter dem Boot wird Sylvains Replicant verschluckt und der Räuber schießt nur so vom Boot weg. Die Rute wird voll durchgebogen als Sylvain langsam die Kontrolle gewinnt und den Fisch wieder in Reichweite drillt. Als wir sehen, dass der Hecht den Köder voll inhaliert hat, greifen wir zum Kescher, da niemand die nicht sichtbaren Haken im Finger haben möchte, während sich ein wütender Hecht noch daran schüttelt. So wird der Hecht gekeschert, abgehakt und kurz für die Kameras vor dem Zurücksetzen hochgehalten.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es ein schlechter Fangtag war, aber da wir viel investiert und nicht aufgegeben haben, fühlte sich der eine Hecht wie ein großer Erfolg an. Und in dieser wunderbaren Umgebung ist es natürlich immer ein großartiger Angeltag!